Forschung

Forschungsprojekt zur Wirksamkeit von Krankenhausseelsorge (FoKS)
Projektbeschreibung und Zielsetzung

Das Forschungsprojekt Krankenhausseelsorge (FoKS) beschäftigt sich mit der Frage nach der Wirksamkeit von Krankenhausseelsorge mit Blick auf die „Empfänger*innen“ von Krankenhausseelsorge: Patient*innen, An-/Zugehörige und Mitarbeitende in Krankenhäusern. Ebenso soll die Sichtweise der Seelsorger*innen und der Einfluss auf das Krankenhaus als System einbezogen werden. Abschließendes Ziel des Projektes ist es, systematisch und zugleich poimenisch profilierte Messkriterien zur empirischen Beschreibbarkeit der Wirksamkeit von Krankenhausseelsorge zu entwickeln. Dies wird, so die Erwartung, eine methodische Untersuchung spezifischer Wirksamkeitsaspekte von Krankenhausseelsorge ermöglichen und fördern. Dabei wird Krankenhausseelsorge im Kontext interprofessioneller Spiritual Care als natürlicher und genuiner Bestandteil der Versorgungsqualität der Krankenbehandlung verstanden.

FoKS ist ein Kooperationsprojekt der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (Lehrstuhl für Praktische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Prof. Dr. Traugott Roser) und der Konvente der Krankenhausseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) und der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW). Das Projekt läuft seit 2017; zwei erste Phasen sind mittlerweile erfolgreich abgeschlossen. Mit Beginn von Phase 3 ist auch die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) über ihre Landespfarrerin für Krankenhaus- und Altenpflegeheimseelsorge in das Projekt eingebunden.

Das Projekt ist in drei Phasen untergliedert. Während die Phasen 1 und 2 einen qualitativen Ansatz zur erstmaligen Entwicklung von Wirksamkeitskriterien aus dem Praxisfeld Krankenhausseelsorge heraus verfolgten, geht Phase 3 mit quantitativer Methodik vor. Im Ergebnis steht ein aus dem Praxisfeld heraus entwickeltes und sukzessive validiertes Fragebogeninstrument zur Messbarkeit der Wirksamkeit von Krankenhausseelsorge. Die Ergebnisse der Phasen 1 und 2 wurden mittlerweile als Dissertationsschrift von Dr. theol. Nika Höfler veröffentlicht. Phase 3 ist Bestandteil des Dissertationsprojektes von Raphael Olberding M.A., B.Sc., der im März 2021 in das Projekt eingestiegen ist.

Im Folgenden sind Details der einzelnen Projektphasen erläutert.

Phase I (Dez. 2017-März 2019): Fallberichte

In einem ersten Schritt wurde die Sichtweise der Krankenhausseelsorger*innen erfasst. Hierfür wurden eingesandte Fallberichte von Seelsorger*innen aus der EKvW und der EKiR gesammelt und qualitativ ausgewertet. Dabei knüpfte das Projekt an die Arbeit des European Research Institut for Chaplaincy in Healthcare (ERICH) an der katholischen Fakultät der Universität Löwen in Belgien (www.chaplaincyresearch.eu) an. ERICH ist Teil des European Network of Health Care Chaplaincy (ENHCC) (https://www.enhcc.eu/). Auf Initiative von ERICH und ENHCC wird angestrebt, über Fallberichte und Fallstudien Einblicke in die Realität heutiger Krankenhausseelsorge in unterschiedlichen europäischen Ländern zu gewinnen.

Die Berichte für FoKS wurden von Krankenhausseelsorger*innen aus den Konventen der EKiR und EKvW erstellt und eingesandt. Dazu wurde ihnen folgender Impuls gegeben: „Das gibt es im Altenheim/ Krankenhaus heute so nur in der Seelsorge! Eine Geschichte aus meiner Praxis, die etwas verändert hat (bei mir, beim Gegenüber, bei der Institution…) und wie es dazu kam“. Hinzu kamen spezifische Formalia (Anleitung zur Erstellung eines Fallberichtes), wie sie von George Fitchett und Steve Nolan (George Fitchett, Steve Nolan (Hg.), Spiritual Care in Practice. Case Studies in Health Care Chaplaincy, London/Philadelphia 2015) entwickelt wurden.
Die Fallgeschichten sollten die gegenwärtige Realität von Krankenhausseelsorge abbilden und fungierten als nicht-repräsentativer Zugang zur Beschreibung des Forschungsfeldes.

Die 39 eingesandten Berichte wurden mittels der Methode Grounded Theory ausgewertet, die eine sozialwissenschaftlich etablierte Methode zur Analyse qualitativer Daten wie etwa Fallberichte ist. Auf diese Weise wurde eine aus den Daten herausgearbeitete und in den Worten der Seelsorger*innen verankerte erste Theorie entwickelt.

Phase II (August 2019-Anfang 2020): Narrative Interviews

Im zweiten Schritt wurden narrative Interviews mit den „Empfänger*innen“ von Krankenhausseelsorge geführt: Patient*innen, An-/Zugehörige und Mitarbeitende unterschiedlicher klinischer Professionen. Narrative Interviews beschränken eine mögliche Lenkung der Interviewten durch die Interviewerin auf ein Minimum, sodass die Interviewten für ihre Erzählwelt ausreichend Raum erhalten. Mit Blick auf Patient*innen wurden sowohl mit sogenannten „Langzeitkontakten“ als auch mit „Kurzzeitkontakten“ Interviews geführt. Dadurch sollte die Arbeitsrealität von Krankenhausseelsorge zum Tragen kommen, die sowohl die langfristige Begleitung von Personen als auch angesichts zunehmend kürzerer stationärer Liegezeiten kurze Kontakte von nur wenigen Begegnungen kennt.

Der Kontakt zu den Gesprächspartner*innen kam ebenfalls durch die Krankenhausseelsorger*innen der beiden Konvente der EKvW und EKiR zustande. Besondere Beachtung wurde der Erlaubnis der Interviewten zur Datenweitergabe durch die Seelsorgenden gewidmet. Eine schriftliche Einverständniserklärung zur Übermittlung der Kontaktdaten an die Interviewerin war Voraussetzung für die erste Kontaktaufnahme.

Die Interviews wurden transkribiert und ebenfalls mit der Grounded Theory Methode ausgewertet. Die Ergebnisse dieser Analyse wurden mit den Ergebnissen aus Phase 1 zusammengeführt.

Zwischenfazit Phasen 1 und 2

Die Phasen 1 und 2 brachten zwei wesentliche Kernergebnisse hervor: Zum einen konnte mit der empirisch abgeleiteten Definition von Vulnerabilität und der Einführung des neuen Begriffs der Vulnerabilitätskompetenz von Krankenhausseelsorge das Spezifikum von Seelsorge in der interprofessionellen klinischen Zusammenarbeit genauer beschrieben und bestimmt werden. Zum anderen stellen die umfangreichen Ergebnisse eine empirisch hergeleitete Grundlage für die Entwicklung eines quantitativen Fragebogeninstruments zur Beschreibung der Wirksamkeit von Krankenhausseelsorge dar. Dieses Vorhaben leistet Pionierarbeit auf dem Feld empirischer Erforschung von Krankenhausseelsorge.

Weitere Details sind den Veröffentlichungen von Dr. Nika Höfler (Höfler, N., Wirksamkeit von Krankenhausseelsorge, 2020, in: WzM (72) 536-547) sowie ihrer Dissertationsschrift zu entnehmen Höfler (2022). Wirksamkeit von Krankenhausseelsorge. Eine qualitative Studie. Evangelische Verlagsanstalt: Leipzig.

Phase III: Entwicklung eines Fragebogeninstrumentes

Phase 3 setzt sich zum Ziel, auf Basis der Ergebnisse aus den vorherigen Projektphasen ein quantitatives Fragebogeninstrument zu entwickeln. Dieses Fragebogeninstrument soll sowohl Prozess- als auch Ergebniskenngrößen erfassen, also Wirkfaktoren einer krankenhausseelsorglichen Begegnung und Wirkungen, auf die Krankenhausseelsorge einen Einfluss hat. Dabei wird sich zunächst auf die Wahrnehmung von Patient*innen fokussiert. Die Perspektiven von An-/Zugehörigen und Mitarbeitenden sind ebenso wichtig, werden aus methodischen Gründen jedoch vorerst nicht betrachtet.

Das Projekt kooperiert auch in Phase 3 mit ERICH und wird die von Austyn Snowden entwickelten Specialist Spiritual Care Patient Reported Outcome Measures (vgl. für weitere Informationen https://www.pastoralezorg.be/page/projects/#1) integrieren.

Die Konstruktion des Fragebogeninstrumentes erfolgt entlang etablierter empirischer Methoden. Das Fragebogeninstrument soll im Rahmen von Phase 3 in ersten Schritten validiert werden. Dazu zählen die Beratung der zu entwickelnden Items in einem Expertreview mit Expert*innen für Krankenhausseelsorge der EKvW, EKiR und EKBO, sowie ein kognitiver Pretest mit Patient*innen (d.h. Interviews zur Verständlichkeit der Items und zum Einblick in die Interpretationsweise).

Das FoKS-Instrument wurde mittlerweile entlang obiger Schritte entwickelt und evaluiert. Dabei wurden die Konstrukte „Beziehungsqualität“ und „Interventionsqualität“ (Prozessfaktoren) sowie „Umgang mit Vulnerabilität“ (Outcome) herausgearbeitet, mittels Fragebogenitems operationalisiert und im Zuge des Evaluationsprozesses bestätigt. Im Zuge von Workshops mit Krankenhausseelsorger:innen hat sich das Fragebogeninstrument zur Erfassung von kontextübergreifenden Wirksamkeitskriterien, aber auch zur Reflexion von bestimmten Seelsorgesituationen als geeignet herausgestellt.

Die Durchführung einer Pilotstudie mit dem Fragebogeninstrument zu dessen Erprobung in einer größeren Stichprobe stellt nun den vorerst letzten Validierungsschritt dar. Diese Studie befindet sich derzeit in der Planungsphase.


Zu den Personen

Prof. Dr. Traugott Roser
Inhaber des Lehrstuhls für Praktische Theologie an der Ev. -Theol. Fakultät der Universität Münster
Kontakt: traugott.roser(at)uni-muenster.de

Dr. Nika Höfler (Doktorandin in den Projektphasen 1 und 2)
Dipl. theol.; von 2017-2021 Doktorandin am Lehrstuhl für Praktische Theologie der Ev. -Theol. Fakultät der Universität Münster; seit 09/2021 Pfarrvikarin der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern
Kontakt: nika.hoefler(at)elkb.de

Raphael Olberding, M.A. (Doktorand in der Projektphase 3)
M.A. Caritaswissenschaft und Ethik, B.Sc. Wirtschaftspsychologie; von 05/2019-12/2021 Assistent des Vorstandssprechers und des Leitenden Theologen der Johannesstift Diakonie gAG Berlin; seit 03/2021 Doktorand am Lehrstuhl für Praktische Theologie der Ev. -Theol. Fakultät der WWU Münster
Kontakt: raphael.olberding(at)uni-muenster.de

Allgemeine Hinweise

Das Projekt wird durch Zuwendungen des Verbandes Evangelischer Krankenhäuser Rheinland/Westfalen/Lippe e. V. sowie Promotionsstipendien der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern (Studienphasen 1 und 2) und der Hanns-Seidel-Stiftung e.V. (Studienphase 3) gefördert.

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