Geschichte

des Konvents der Krankenhausseelsorge in der EKvW

(Sabine Papies, Bielefeld im Mai 2000)

Die Krankenhausseelsorge in der EKvW hat eine lange Geschichte, die nach dem Krieg schon in den 50er Jahren beginnt.

Im Kirchlichen Amtsblatt vom 10. Januar 1953 ist ein Vortrag von einem Herrn Pfarrer i.R. v. Sicard aufgenommen, der anläßlich eines Pastoralkollegs zur Seelsorge in Bielefeld über die Krankenhausseelsorge referierte und dafür so viel Anerkennung fand, daß der damalige Präses Wilm sich entschloß, diesen im Amtsblatt zu veröffentlichen, damit alle Brüder ihn zur Kenntnis nehmen könnten.

Sie sollten einen Anlaß haben, die wichtigen Fragen der Krankenhausseelsorge neu zu durchdenken und darauf zu sinnen, wie sie in rechter Weise durchgeführt und gefördert werden könne. Herr Pfarrer Sicard hatte seinen aktiven Dienst in einer Kirchengemeinde schon beendet, als er im Ruhestand den Dienst in der Krankenhausseelsorge aufnahm und mit einer unglaublichen Aktivität alle Patienten des Krankenhauses während ihres Aufenthaltes zu erreichen versuchte.

Er schreibt: „In den Kommunalen Krankenhäusern ist eine geordnete Krankenhausseelsorge etwas Neues. Und dieses Neue bedeutet für die Ärzte, Schwestern und das gesamte Personal Unruhe und neue Belastung. Mit gewissen Widerständen ist daher zu rechnen. Hinter diesen Widerständen kann auch weltlicher Gegensatz stehen. Es muß daher zunächst das Ziel sein, zu erreichen, daß die Krankenhausseelsorge nicht mehr ein Fremdkörper in dem großen Organismus des Krankenhauses ist und als ein solcher empfunden wird, sondern daß sie langsam aber sicher ein Bestandteil , ein lebendiger Bestandteil dieses Organismus wird. Dazu würde auch ein gewisses finanzielles Mittragen der Anliegen und Bedürfnisse der Krankenhausseelsorge gehören. …

Bei den Kranken selbst müssen die kleinen praktischen Hilfeleistungen ganz selbstverständlich und ernst genommen werden. Schwestern und Pfleger sind überlastet und können das nicht tun. Solche Hilfeleistungen sind Benachrichtigungen des Gemeindepfarrers, auch des römisch- katholischen, Briefe an Angehörige, Versuche, ein Zimmer oder eine Arbeit zu vermitteln und daher Schreiben an das Wohnungsamt, Arbeitsamt, den Sozialminister, die städtische Fürsorge und die Innere Mission, bei Flüchtlingen häufig das Abholen von Paketen aus der Gepäckaufbewahrung des Bahnhofs usw.

Auch die Mitnahme von Briefen zum Postkasten oder eine kleine Besorgung gehören dazu. Vergessen wir nicht, daß viele der Kranken einsam, sehr einsam sind und daß so ein Stückchen praktisches Christentum manchmal der beste Wegbereiter zur eigentlichen Seelsorge ist.

Und wir wollen doch Boten dessen sein, der da sagte: ‚Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene'(Matth. 20,28) und ‚Der Größte unter euch soll euer Diener sein‘ (Matth. 23, 11).“

Den Kindergottesdienst erwähnt Pfarrer Sicard ganz besonders. „Der Kindergottesdienst- selbstverständlich als Gottesdienst mit Altar und kurzer Liturgie – als Gesamtkatechese bekommt dadurch seine besondere Wichtigkeit, daß an ihm Kinder, und gar nicht so wenige, teilnehmen, die noch nie einen Kindergottesdienst besucht oder erlebt haben, die keine biblische Geschichte und kein Gebet kennen, die völlig areligiös aufwachsen.

Man muß diese Kinder erlebt haben, wie sie mit großen Augen die Kerzen auf dem Altar und den Pastor im Talar anschauen, wie sie unwillkürlich hineingezogen werden, soll ich sagen in die fromme Stimmung oder in die ihnen unbekannte Welt des Heiligen. Man muß erleben, wie dann ein kleines Mädchen schüchtern fragt: „Beten, Onkel Pastor, was ist das überhaupt, beten?“‚

Hinzu kamen regelmäßige Bibelstunden auf den Stationen, natürlich die Sonntagsgottesdienste mit im Schnitt 60 Personen im Jahr 1953, Einsargungsfeiern, Ansprachen bei Jubiläen und vieles mehr. Sein Nachfolger nennt etwa 10.000 Besuche, die er in einem Jahr durchführt.

Abgesehen von den Pfarrern, die die Kranken in den Krankenhäusern besuchten, weil sie es als unabdingbar notwendigen Teil ihrer Gemeindearbeit verstanden, gab es eine kleine Zahl von Aktiven, die sich ausschließlich dieser Aufgabe widmeten.

Im Jahre 1952 waren es drei hauptamtliche Krankenhausseelsorger. „Wenn es deutlich wurde, daß die Krankenhausseelsorge ein fast noch völlig unbeackertes Feld ist, aber ein Feld, das eine große Ernte bringen könnte, ist es dann tragbar, daß wir in Westfalen zwar viele große Krankenhäuser haben und noch mehr in den nächsten Jahren bekommen werden, aber nur drei hauptamtliche Krankenhausseelsorger haben?…Anzustreben wäre, daß der Dienst der Krankenhausseelsorge nicht nur alten Pfarrern anvertraut wird, sondern daß sich auch jüngere Kräfte dazu bereit finden.“

Und dann führt er aus, daß dieser Dienst an drei Aufgaben der Kirche stärker als das Gemeindepfarramt mitwirken könne: das heilge Abendmahl aus seiner Erstarrung erlösen und die Kranken von ihrer Angst, das Mahl bedeute den nahenden Tod, zu befreien.

Hier könne zudem ein neues Verständnis für die Einzelbeichte geweckt werden. Und das fast ganz erloschene Kirchenbewußtsein könne gestärkt werden, wenn das Handeln der Kirche durch die Krankenhauspfarrer sehr intensiv tröstend, stärkend, ins Gebet hineinnehmend erlebt werde.

An den beiden ersten Punkten hat sich gewiß etwas im Sinne Sicards im Verlauf von 50 Jahren geändert, während wir an der Bildung des Kirchenbewußtseins vielleicht stärker als je zuvor arbeiten möchten, aber erleben, daß wir nicht die einzigen sind, die es tun: das Bild der Kirche und die Einstellung zu ihr wandeln sich ständig in der Gesellschaft, ohne daß wir wohl einen allzu großen Einfluß darauf nehmen können.

Ende der 60er Jahre wurden, vielleicht in erster Linie im Zuge der Seelsorgebewegung, einige weitere hauptamtliche Krankenhauspfarrstellen eingerichtet, wozu nicht zuletzt Pfarrer i.R. wie Herr Sicard, auch die nötige Vorarbeit geleistet hatten.

Im Jahre 1975 war es endlich auch in Bielefeld so weit. Es war eine der ersten Pfarrstellen für KHS in Westfalen, die bis heute besteht. Lange Jahre hindurch gab es dann etwa 20 – 30 Pfarrstellen in diesem Bereich in Westfalen, und bis heute sind es nicht sehr viel mehr, nämlich 44.

Man kann sagen, daß in jeder größeren Stadt in der Regel mindestens eine Pfarrstelle für KHS besteht, das heißt in jedem Kirchenkreis etwa eine, in größeren Kirchenkreisen wie Dortmund mehrere, in Bielefeld 2.
Die Aufgabe der KHS hat sich inzwischen stark verändert hat. Die Kollegen damals versuchten, das Krankenhaus als eine große Gemeinde zu verstehen, in der jeder Patient und jede Patientin einmal besucht werden müßte und die Möglichkeit haben sollte, an mindestens einer Bibelstunde im Krankensaal teilzunehmen.

Dagegen steht der Versorgungsgedanke heute nicht mehr im Vordergrund unserer Arbeit, viel eher der Aspekt der Krisenintervention und der Begleitung und Stützung einzelner Menschen.

Dennoch sind viele Grundprobleme und Grundfragen beinahe die gleichen geblieben, viele neue Fragen, vor allem ethischer Art, sind hinzugekommen. Sicard schreibt etwa:
„Daß der Mensch ein unteilbares Ganzes ist, und daß Leib und Seele nicht zwei völlig verschiedene und getrennte Dinge sind, die nur zufällig in e i n Gehäuse gesperrt wurden, daß zwischen ihnen nicht nur Verbindungsfäden hin- und hergehn, sondern daß´sie wirklich in gesunden und kranken Tagen zusammengehören, – das ist eine Erkenntnis, die sich heute langsam durchzusetzen beginnt…“ Hat er den Sachverhalt nicht zu optimistisch eingeschätzt?

Ende der achtziger Jahre hat sich dadurch eine große Veränderung ergeben, daß eine große Zahl von jungen KollegInnen vor allem nach dem Hilfsdienst anfing, in der KHS zu arbeiten, jedoch nicht damit rechnen konnte, irgendwann eine Pfarrstelle in der KHS besetzen zu können.

Da dennoch das Interesse an der Arbeit bestehen blieb, außerdem auch in Gemeinden und anderen Funktionsbereichen wenig Pfarrstellen frei wurden und zur Zeit frei werden, umfaßt der Konvent der KHS ungefähr 100 junge engagierte TheologInnen, die im sogenannten Entsendungsdienst die Arbeit verrichten und damit unserem Arbeitsfeld ein ganz neues Gewicht und eine neue Bedeutung geben.

Alle hauptamtlich in der KHS Tätigen, in der Regel Pfarrerinen und Pfarrer, sind im Konvent vertreten und treffen sich zweimal im Jahr zu einer Tagung, auf der es um Fortbildung und Konventsangelegenheiten geht.

Die Geschäfte des Konvents führt ein siebenköpfiger Vorstand, aus dem einer bzw. eine den Vorsitz übernimmt.

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